Im ersten Teil haben Sie bereits mehr erfahren über Akzeptanz, Co-Regulation, Struktur und Selbstmitgefühl.  Im zweiten Teil gibt es nun fünf weitere Dinge, mit denen Sie Ihr psychisches Immunsystem stärken können.

6. Selbstfürsorge

Selbstfürsorge bedeutet auf sich selbst und seine Bedürfnisse zu achten. Sie sollte keine Belohnung sein oder etwas, wozu Sie sich zwingen müssen, sondern eher eine innere Haltung, die sich bewusst in mehreren kleinen Handlungen im Alltag wiederspiegelt.

Dafür können Sie sich im Alltag zunächst mehr beobachten und einen achtsamen Blick für sich selbst entwickeln, indem Sie während des Tages immer wieder Inne halten und Ihre Gedanken, Gefühle, Ihren Körper und die damit verbunden Bedürfnisse wahrnehmen. Haben Sie einen verspannten Nacken und könnten vielleicht eine Pause vom PC machen und sich bewegen? Haben Sie Durst und könnten sich etwas zu trinken holen? Kreisen Ihre Gedanken um Ihre Kinder und könnten Sie die Arbeit für heute lieber beenden und mit ihnen spielen? Sind Sie gerade überfordert und könnten sich einen Spaziergang gönnen? Oder sind Sie erschöpft und könnten sich ein entspannendes Bad einlassen und danach einen Film gucken?

Wenn Sie anfangen mitfühlend und wertschätzend mit sich selbst umzugehen, kann Selbstfürsorge ganz selbstverständlich für Sie werden. Wenn Sie regelmäßig gut für sich sorgen, kann sich das positiv auf Ihre Stresstoleranz und Resilienz (seelische Widerstandskraft) auswirken. So kann Selbstfürsorge von einer scheinbaren zusätzlichen Last zur Entlastung werden, die Ihnen neue Energie, Kreativität, Ruhe und Gelassenheit in Ihrem Alltag ermöglicht.

Wenn übrigens mal nicht genügend Zeit bleibt, können Sie sich auch einen gemütlichen Platz zu Hause suchen und Ihre Vorstellungskraft nutzen, indem Sie sich mit allen fünf Sinnen z.B. einen Ort, an dem Sie sich wohlfühlen oder einen Besuch im Spa vorstellen und diese Vorstellung genießen.


7. Natur

Verbringen Sie möglichst viel Zeit in der Natur. Natur hat eine beruhigende und stresssenkende Wirkung auf uns. Sie kann uns dabei helfen, den Kopf frei zu bekommen, unsere Kreativität und Konzentrationsfähigkeit zu steigern, achtsamer zu werden und unser Immunsystem zu stärken.

Folgende Übung können Sie gern auf Ihrem nächsten Spaziergang einbauen:

1.Schätzen Sie Ihre momentane Stimmung auf einer Skala von 0 (sehr entspannt, aufmerksam, ruhig) bis 10 (sehr gestresst, unruhig, kann mich nur schwer konzentrieren) ein.

2. Schließen Sie die Augen und achten Sie auf alle Geräusche, die Sie um sich wahrnehmen können.

3.Schauen Sie sich um und finden Sie etwas, an dem Sie riechen können (z.B. Baumrinde, Blume, Erde).

4.Finden Sie etwas, das Sie in die Hand nehmen können. Betrachten Sie es von allen Seiten und nehmen Sie jedes Detail wahr.

5.Laufen Sie barfuß über verschiedene Untergründe und spüren Sie, wie unterschiedlich sich diese anfühlen.

6.Schätzen Sie Ihre Stimmung erneut auf der Skala von 0-10 aus Punkt 1 ein.


8. Bewegung

Bewegung ist für unser Leben grundlegend und hat einen Einfluss auf unsere Gesundheit, Gedanken, Gefühle, Lebensenergie und unser Wohl- und Körperempfinden. Und genau das können Sie sich nun zu Nutze machen, um gelassen und energiegeladen durch diese Zeit zu kommen. Bauen Sie dafür so viel wie möglich Bewegung in Ihren Alltag ein. Egal ob spazieren gehen, Rad fahren, wandern, Gartenarbeit, Yoga, joggen oder tanzen, finden Sie Bewegungen, die Ihnen gut tun.

Fragen Sie sich nicht, was Sie machen könnten, sondern z.B. wie Sie sich fühlen möchten oder welche Beziehung Sie stärken möchten und gehen Sie der passenden Bewegung nach. So kann ein Spaziergang mit dem Partner sie gleichzeitig einander näher bringen, das Laufen einer Strecke, die Sie sich nicht zugetraut hätten, Ihnen neuen Mut geben oder das Tanzen zu lauter Musik Sie in gute Laune versetzen.


9. Mitgefühl mit anderen

Auch Ihre Kinder und Partner stehen vor Herausforderungen wie Überforderung, Schlafproblemen oder Traurigkeit darüber ihre Freunde nicht treffen zu können oder über eine abgesagte Veranstaltung. Zudem hat jeder unterschiedliche Bedürfnisse z.B. nach Ruhe oder Nähe. All dies beeinflusst ihr Verhalten und kann dazu führen, dass sie angespannt und gereizt sind. Anstatt also direkt darauf zu reagieren, fühlen Sie sich lieber in die Welt Ihres Gegenübers ein und machen Sie sich bewusst, dass nicht Sie gemeint sind, sondern die Anspannung eher den Umständen geschuldet ist. Indem Sie also mit Verständnis reagieren, fühlt sich der andere gehört und verstanden und Sie können gemeinsam schauen, welche Bedürfnisse gerade im Vordergrund sind und wie Sie diese gemeinsam umsetzen können.


10. Dankbarkeit

Wie oft haben Sie vor Corona-Zeiten gesagt, dass Sie gern mehr Zeit hätten? Auch wenn sie Ihnen nun mehr oder weniger „aufgezwungen“ wurde, können Sie Dankbarkeit empfinden für die wertvolle Zeit mit Ihren Kindern; für die Zeit, in der Sie eine Pause von Ihrer Arbeit machen können; für die Zeit, in der Ihr Körper sich erholen kann oder die Zeit, in der Sie Dinge angehen können, die Sie sonst vielleicht nie gemacht hätten?

Und was fehlt Ihnen in diesen Zeiten am meisten? Ein gemeinsamer Abend mit Freunden, Umarmungen, ein Besuch bei den Großeltern, Ausflüge und Veranstaltungen an den Wochenenden oder einfach nur ein Gefühl von Normalität?

Wohlwissend dass diese Zeit vorbeigehen wird, möchte ich Sie einladen dankbar zu sein, für all die kleinen und großen Dinge, die Sie in dieser außergewöhnlichen Zeit erlebt haben und noch erleben werden und dieses Gefühl auch in Zukunft bei sich zu tragen.


Daran anschließend möchte ich Ihnen zum Abschluss eine kleine Imaginationsübung mitgeben:

Stellen Sie sich vor, die herausfordernde Corona-Zeit ist überstanden und Sie gehen wieder Ihrem normalen Alltag nach. Eines Abends machen Sie es sich gemütlich und  blicken zurück auf die letzten Monate. Was sehen Sie? Wie haben Sie diese Zeit verbracht und wie haben Sie sich verhalten? Welche Momente sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben und warum? Gibt es etwas, das Sie bereuen nicht getan zu haben in dieser Zeit? Und was hat sich für Sie seitdem verändert, wofür Sie auch an diesem Abend noch dankbar sind?


Quellen:

McGonigal, Kelly (2019): “The Joy of Movement”

Podcast: Psychologists off the clock, Episode 134 (2019)

Podcast: Psychologists off the clock, Episode 26 (2017)