Diese Frage beschäftigt immer mehr Menschen und vielleicht geht es auch dir so. Mit diesem Beitrag möchte ich dir einen ersten Einstieg in das Thema ermöglichen.

Dabei gilt es zwei wichtige Bereiche zu betrachten: Bindung und Regulation.

Wir sind soziale Lebewesen, die sich über die Verbindung zu sich selbst und zu anderen regulieren. Die Bindungen, die wir als Kinder haben und wie wir lernen uns zu regulieren, beeinflussen unser ganzes Leben.

Idealerweise wachsen wir bei Bindungspersonen auf, die sich sowohl selbst als auch gegenseitig regulieren und ein Umfeld erschaffen, in dem wir ebenfalls Regulation erlernen können.

Wenn sich ein Baby z.B. ängstlich, hungrig oder unwohl fühlt, kann es sich nicht einfach selbst beruhigen. Es benötigt Haut-zu-Haut-Kontakt, einen rhythmischen Herzschlag, eine freundliche Stimme und ein liebevolles Lächeln. Das Baby kann sich also beruhigen, da jemand aufmerksam, präsent und selbstreguliert auf es eingeht. Diese Erfahrung wird im impliziten, unbewussten Gedächtnis des Babys gespeichert. So wird das Nervensystem co-reguliert und kann Selbstregulation lernen.

Wenn wir also in einer schützenden, präsenten und sicheren Umgebung aufwachsen, kann sich das Gehirn in seiner Entwicklung auf eben solche Erfahrungen und Beziehungsaspekte konzentrieren, anstatt auf Verteidigung. Wir müssen nicht ständig nach Gefahren Ausschau halten und können dem Leben und anderen Menschen vertrauen.

Aber was ist, wenn die Umstände anders sind und wir z.B. eine Bindungsperson haben, die uns vernachlässigt, misshandelt oder selbst traumatisiert ist und sich nicht regulieren kann? In diesem Fall werden unsere neuronalen Netzwerke für sichere Bindung weniger ausgebaut und unser Gehirn spezialisiert sich stattdessen auf Gefahren. Denn wenn wir uns (vor anderen) schützen müssen (besonders vor denen, die uns eigentlich Schutz geben sollen), dann tun wir gut daran, ein feines Radar für die ersten Anzeichen von Gefahr zu haben, um besser darauf reagieren zu können.

Und so entwickeln sich unser Gehirn und Nervensystem entlang unserer Erfahrungen, die wir in Beziehung mit unserer Umwelt machen.

Wodurch kann ein Entwicklungstrauma entstehen?

Es gibt keine Ereignisse, die an sich traumatisierend sind. Ein Trauma entsteht in Folge eines (lebens-)bedrohlichen Ereignisses, ist also eine Reaktion darauf, die bei jedem anders sein kann.

Ereignisse/Umstände, die ein Entwicklungstrauma zur Folge haben können, sind z.B.:

  • Körperliche, sexualisierte und/oder seelische Gewalt
  • Körperliche und/oder emotionale Vernachlässigung
  • Dauerhafte Zurückweisung und/oder Abwertung durch Bindungspersonen
  • Bindungspersonen, die selbst traumatisiert und/oder psychisch krank sind
  • Als Kind besonders häufig für Ältere sorgen zu müssen (Parentifizierung)
  • Verluste naher Bezugspersonen im Kindesalter
  • Krankenhausaufenthalte, bei denen das Kind längere Zeit allein war

Mögliche Symptome

Da für Kinder die Bindung zu ihren Bezugspersonen überlebenswichtig ist, können solche Ereignisse – vor allem, wenn sie sich mehrfach wiederholt haben – gravierende Auswirkungen haben, die sich auch im Erwachsenenalter zeigen können. Dabei können die Symptome eines Entwicklungstraumas sehr vielseitig sein (siehe Grafik).

Durch ein Entwicklungstrauma mangelt es uns meist an einem Gefühl von Verbundenheit, nicht nur zu unserer Umwelt und anderen Menschen und Lebewesen, sondern auch zu uns selbst und unserem Körper. Dadurch fühlen wir uns oft sehr allein, ein bisschen als gäbe es eine unsichtbare Wand zwischen uns und dem Außen und wir wissen nicht, wie wir sie durchdringen können.

Aber wir können uns ändern und die Verbindungen reparieren, indem wir mitfühlend mit uns selbst sind, uns unseren seelischen Verletzungen widmen und neue (Bindungs-)Erfahrungen machen.

Egal, wo du also gerade stehst, jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt und ich lade dich ein deinen Weg mit Neugierde, Freude und Selbstmitgefühl zu beschreiten.

Welche Möglichkeiten bietet die Traumatherapie?

Das Trauma an sich lässt sich nicht behandeln; was geschehen ist, ist geschehen und lässt sich nicht ungeschehen machen. An den Auswirkungen, die das Trauma auf uns hat, kann jedoch gearbeitet werden.

In der Traumatherapie wird zunächst erklärt, was ein Trauma eigentlich ist und welche Folgen es haben kann. In der ersten Phase der Therapie geht es darum sich zu stabilisieren und sowohl äußere als auch innere Sicherheit herzustellen. Dafür wird mit Ressourcen– und Imaginationsübungen gearbeitet sowie Reorientierungs– und Distanzierungstechniken eingeübt. So kannst du lernen dich selbst zu beruhigen und dich bei Bedarf im Hier und Jetzt zu reorientieren, um nicht in der Vergangenheit stecken zu bleiben, wo das Trauma passierte. Es geht darum in der Gegenwart präsent zu sein und neue Erfahrungen (z.B. Grenzen setzen, Selbstwirksamkeit, starke Gefühle regulieren) zu machen. Dafür noch fehlende Fertigkeiten und Kompetenzen werden ebenso trainiert wie eine bessere Selbstwahrnehmung.

Bei Bedarf kann nach der Stabilisierungsphase an den fragmentierten Erinnerungen gearbeitet werden. Dabei wird das Erlebte in kleinen Schritten durchgearbeitet, immer in dem Maße, wie du es gerade halten kannst. So wird zwischen dem traumatischen Material und dem in der Stabilisierungsphase erarbeitetem positivem Gegengewicht gependelt und die gelernten Techniken können sowohl in der Therapie als auch zwischen den Sitzungen selbstständig angewendet werden.

Dabei geht es in erster Linie nicht darum, sich das Erlebte im Detail anzuschauen, sondern die dazugehörigen Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen und das Verhalten zu betrachten und in Worte zu fassen.

Der Übergang von der zweiten zur dritten Phase ist fließend. Sowohl die Integration als auch die Trauer können bereits in der zweiten Phase beginnen.

Hierbei gilt es mit Mitgefühl den eigenen Schmerz zu würdigen und Raum zu geben, das Vergangene zu betrauern. So kann sich der innere Fokus vom Trauma lösen und den Blick freimachen für die nächsten Entwicklungsschritte.

Bei der Neuorientierung wird sich neben möglichen Ängsten und Befürchtungen, wie z.B. dem Eingehen neuer Bindungen, vor allem den Wünschen und Zielen für die Zukunft zugewendet. Diese können sowohl ganz konkret, wie z.B. die Neuausrichtung einer Beziehung oder eine berufliche Umorientierung, als auch langfristige Überlegungen für ein „Wiederanknüpfen an die Welt“ sein.

Diese drei Phasen müssen nicht immer nacheinander verlaufen, viel mehr überschneiden sie sich und Betroffene pendeln zwischen ihnen.

Die Traumatherapie an sich bietet verschiedene Fachverfahren, wie z.B. EMDR, PITT, Bildschirmtechnik, enaktive Traumatherapie, traumasensibles Yoga, Ego-State-Therapie, Neurofeedback, tiergestützte Traumatherapie, Somatic Experiencing u.v.a.

Diese vielfältige Mischung wird der komplexen Symptomatik von Traumafolgestörungen gerecht und ermöglicht es Betroffenen ihre Therapie aktiv und individuell mitzugestalten.

Quellen:

  • Romanus-Ludewig, Alice (2019): Resilienz- und bindungsorientierte Traumatherapie (RebiT). Paderborn: Junfermann Verlag
  • Terrell, Stephen & Kain, Kathy (2020): Bindung, Regulation und Resilienz. Paderborn: Junfermann Verlag
  • Poole Heller, Diane (2020): Tief verbunden. München: Kösel-Verlag
  • Van der Kolk, Bessel (2017): Verkörperter Schrecken. Lichtenau/Westf.: G.P. Probst Verlag GmbH