Tipp 6: Bewegung und Sport

Bei Angst wird viel Energie in deinem Körper mobilisiert. Deshalb solltest du dich während einer Panikattacke bewegen. Mache (kräftige) Bewegungen mit dem ganzen Körper, wie z.B. schnelles Laufen, Kniebeugen, Aufstampfen, Hüpfen, Tanzen oder Trommeln. Hier kannst du gleich noch versuchen in einem Rhythmus zu trommeln, sodass du dich zusätzlich konzentrieren musst und somit deine Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt lenkst (siehe Tipp 9).

Auch langfristig können Bewegung und Sport sehr gut dabei helfen die überschüssige Energie abzubauen. Es ist also empfehlenswert sie regelmäßig in deinen Alltag einzubauen.

Zudem kannst du auch beim Sport einen schnellen Puls und erhöhten Herzschlag haben oder ins Schwitzen kommen. Auch hier kannst du wieder wahrnehmen, dass es sich um eine ganz normale Reaktion deines Körpers handelt und somit das Vertrauen in deinen Körper wieder stärken.

Tipp 7: Links und rechts

Mache alles, was du normalerweise mit rechts machst mit links und umgekehrt, egal ob Zähneputzen, abwaschen, dein Handy bedienen, schreiben, essen oder Türen aufschließen. Da dies für dein Gehirn ungewohnt ist, muss es sich sehr anstrengen, sodass nicht viel Kapazität für deine Angst bleibt.

Ebenso kannst du probieren auf einem Bein zu stehen und dabei das linke und rechte Bein abzuwechseln. Bei dieser Übung wird dein Gleichgewichtssinn gefordert, sodass auch hier dein Gehirn sich auf etwas anderes als die Angst konzentrieren muss. 

 

Tipp 8: Auseinandersetzen mit Befürchtungen

Panikattacken können auf bestimmte Themen und Sorgen aufmerksam machen. Du kannst dich also mit diesen Befürchtungen auseinander setzen und dich immer wieder fragen “Und was dann?“. So kannst du einen Notfallplan entwerfen, der dir wieder mehr Kontrolle und Selbstwirksamkeit als Gegengewicht zu der Hilflosigkeit gibt, die mit Panikattacken einhergehen kann.

Wenn deine Panikattacken also z.B. im Zusammenhang auftauchen mit:

  • Angst vor dem Ende deiner Partnerschaft, dann könntest du dich fragen, was wäre wenn ihr euch trennt, worum müsstest du dich kümmern, was müsste organisiert werden
  • deinem Job (z.B. durch Mobbing am Arbeitsplatz, dauerhafte Überforderung), dann könntest du dich fragen, was wäre, wenn du kündigst, welche Schritte müsstest du unternehmen, wo könntest du dich neu bewerben oder solltest du dich erstmal krankschreiben lassen
  • Überforderung, dann könntest du überlegen, was du befürchtest, was passieren würde, wenn du häufiger nein sagst und was du bräuchtest, um mehr Selbstfürsorge zu betreiben
  • Todesangst (z.B. durch eine schwere Erkrankung bei dir selbst und einem dir nahestehenden Menschen), dann könntest du dich mit der Endlichkeit des Lebens und dem Thema Tod auseinandersetzen, der Frage, wie du dir das Sterben vorstellst, von wem dir der Abschied besonders schwer fallen würde, was du noch machen möchtest (für dich oder mit dir nahestehenden Personen), wem du noch etwas wichtiges sagen möchtest oder von welchen nicht verwirklichten Lebensträumen du Abschied nehmen müsstest

Tipp 9: Im Hier und Jetzt verankern

Reorientierungstechniken können dich dabei unterstützen dich im Hier und Jetzt zu verankern. So kannst du präsent bleiben, deine Angst wahrnehmen und dir bewusst machen, dass es in diesem Moment sicher ist und kannst so handlungsfähiger bleiben.

5-4-3-2-1

Bei dieser Übung benennst du zunächst fünf  Dinge um dich herum, die du sehen kannst, danach fünf Dinge, die du hören kannst und dann fünf Dinge, die du tasten/anfassen kannst. Im Folgenden wiederholst du diese Schritte (sehen, hören, tasten) jeweils vier Mal, dann drei, dann zwei Mal und zum Schluss benennst du noch jeweils ein Ding.

Notfallkoffer

In deinen Notfallkoffer kannst du Dinge packen, die dir dabei helfen dich schnell zu reorientieren, wie z.B.:

  • Dinge, die intensiv riechen (z.B. Pfefferminz- oder Zitrusöl)
  • Dinge, die intensiv schmecken (z.B. ein scharfes Kaugummi oder eine Zitrone)
  • Dinge, die dich zur Bewegung anregen (z.B. ein Springseil)
  • Dinge, bei denen du dich konzentrieren musst (z.B. Bälle zum Jonglieren, ein Sudoku, schwierige Rechenaufgaben)
  • Dinge, die dich beruhigen (z.B. das Foto einer Freundin oder von einem schönen Urlaub, ein Beutel deines Lieblingstees)

Du kannst dir auch Notfallnotizen erstellen, mit allen Dingen, die dir bisher geholfen haben und diese Notiz an verschiedenen Stellen bei dir zu Hause oder auch z.B. in der Handyhülle oder im Auto anbringen.

(Tipp: Hier kannst du dich für meinen kostenlosen Stabilisierungs-Minikurs anmelden. Dort bekommst du beide Übungen ausführlich erklärt.)

 

Tipp 10: Imagination und Kreativität nutzen

Als Imaginieren bezeichnet man ein Denken in inneren Bildern. Für solche Vorstellungen nutzt unser Gehirn die gleichen Nervenbahnen wie für reales Erleben, weshalb diese auch einen Einfluss auf unser Befinden haben. Mit Hilfe von Imaginationsübungen kannst du also bewusst dein Empfinden sowie deine körperlichen Reaktionen beeinflussen. Entscheidend ist dabei, dass du diese inneren Bilder mit allen fünf Sinnen aufrufst (sehen, hören, riechen, schmecken, spüren).                

Wohlfühlort

Bei dieser Übung kannst du dir einen idealen Ort imaginieren, den du mit Wohlfühlen und Geborgenheit verbindest. Dies kann z.B. am Strand, in den Bergen oder im Wald sein oder du könntest bei Bedarf all diese Dinge an einem Ort haben. Was kannst du an diesem Ort sehen, hören, riechen, schmecken und spüren? Möchtest du vielleicht Fantasiewesen oder Tiere mit an diesem Ort haben? Deiner Fantasie sind keine Grenzen gesetzt und es gibt an diesem Ort Fülle und keinen Mangel, du kannst also alles da haben, was du möchtest. Außerdem kannst du den Ort jederzeit verändern und Dinge hinzufügen oder auch entfernen.

Ebenso kannst du in deiner Vorstellung ein Erfolgserlebnis oder eine schöne Erinnerung aufrufen und die damit verbundenen positiven Empfindungen bewusst wahrnehmen. Versuche auch diese Erlebnisse mit allen Sinnen aufzurufen.

Durch das Imaginieren solcher Orte bzw. Aufrufen von positiven Erinnerungen, kann dein Nervensystem sich beruhigen und somit kannst du deine Selbstregulationsfähigkeit trainieren.

Der Angst eine Gestalt geben

Eine weitere Option besteht darin dir zu überlegen welche Farbe, Form oder Gestalt deine Angst vielleicht haben würde? Was würde sie zu dir sagen, wenn sie sprechen könnte? Was bräuchte sie?

Als Erweiterung kannst du deine Angst auch externalisieren, also dein inneres Erleben nach Außen projizieren. Dadurch entsteht eine Distanz zur Angst, durch die du eine neue Perspektive einnehmen und dir einen Überblick verschaffen kannst. Dafür kannst du deine Angst (Farbe/Form/Gestalt) z.B. malen, sie basteln, mit Knete modulieren oder auch symbolische Gegenstände für sie finden. So kann deine Angst greifbarer werden und durch die Überlegungen, was diese Farbe/Form/Gestalt sagen bzw. brauchen würde, kann Mitgefühl für die Angst entstehen. 

 

Tipp 11: Innere Helfer

Für diese Übung kannst du überlegen, welche Fähigkeit(en) du bzgl. deiner Angst gern hättest (z.B. ruhig bleiben können, sich von anderen abgrenzen können, mitfühlend mit sich selbst sein können, mutig sein können) und dir einen inneren Helfer oder auch mehrere vorstellen, die diese Fähigkeit besitzen. Mögliche Helfer können z.B. sein:

  • Figuren aus Büchern, Filmen oder Serien (z.B. Harry Potter, Pippi Langstrumpf)
  • Tiere (z.B. ein Adler, der den Überblick behält oder eine weise Eule)
  • Hilfreiche und weise Personen aus deinem Leben (z.B. Oma oder ein Freund)
  • dein zukünftiges Ich

Wie würde dein innerer Helfer aussehen und was zeichnet ihn/sie aus? Welchen Rat würde dein innerer Helfer dir geben, was würde er/sie zu dir sagen oder was würde er/sie in dieser Situation tun?

Mit Hilfe dieser neuen Perspektive können sich neue Handlungsmöglichkeiten für dich ergeben. Deinen inneren Helfer kannst du in deiner Vorstellung immer bei dir tragen und jederzeit wieder Kontakt mit ihm/ihr aufnehmen, wenn du dich in einer herausfordernden Situation befindest.

 

Tipp 12: Du bist nicht allein

Du bist nicht allein mit deiner Angst! Es geht vielen Menschen so wie dir. Du kannst deine Freunde und Familie miteinbeziehen. Rede mit ihnen und erzähle ihnen, dass du Ängste bzw. Panikattacken hast. Wenn jemand mitfühlend für dich da ist und dir zuhört, kann das bereits eine beruhigende Wirkung haben. Du kannst ihnen z.B. auch von den oben genannten Tipps erzählen, sodass sie dich z.B. mit einer Reorientierungstechnik unterstützen können. Ebenso kann es auch hilfreich sein, wenn du ein Haustier hast, dieses zu streicheln, wenn du Angst hast, denn beim Streicheln wird Oxytocin ausgeschüttet (Bindungshormon), das wiederum deinem Körper hilft sich wieder zu beruhigen.

Wenn du professionelle Hilfe benötigst, gibt es z.B. folgende Anlaufstellen:

Nummer Telefonseelsorge: 0800 1110111 oder 0800 1110222

Nummer gegen Kummer: 116 111 (Kinder- und Jugendtelefon) 0800 111 0 550 (Elterntelefon)

Wenn dich deine Ängste sehr einschränken und du allein nicht mit ihnen zurechtkommst, kannst du auch Hilfe bei einem Therapeuten suchen, der mit dir sowohl die Ursachen deiner Angst und Panikattacken anschauen als auch hilfreiche Strategien im Umgang mit ihnen mit dir erarbeiten kann.

 

Da jeder Mensch anders ist, ist meine Einladung an dich die verschiedenen Übungen nach und nach auszuprobieren und die zu nutzen, die dir am besten helfen. Du solltest sie häufiger wiederholen, denn du hast im Laufe der Zeit immer stärkere neuronale Verbindungen für Angst und Panik entwickelt, wodurch die Reaktionen immer automatischer ablaufen. Mit jedem neuen Verhalten können nun mehr Handlungsmöglichkeiten entstehen und alte Verhaltensmuster sich ändern.

Abschließend möchte ich also nochmal sagen: Du bist nicht allein, an dir ist nichts falsch und du bist auch nicht anders! Angst und Panik sind keine Krankheit, sondern die Folge eines erhöhten Stresszustandes. Krankmachen können sie dich, wenn du keine Strategien hast, um damit umzugehen, du dich dadurch immer mehr vor der Angst fürchtest und anfängst dich immer mehr einzuschränken. Dadurch kann dein Selbstwertgefühl sehr geschwächt werden und vielleicht veränderst du dich irgendwann so sehr, dass du dich selbst nicht wiedererkennst und deinen Alltag nur noch schwer bewältigen kannst. Mit Hilfe der zuvor genannten Tipps kannst du deine Angst vielleicht besser verstehen und sie als einen Teil von dir mitfühlend annehmen, statt sie zu bekämpfen oder zu vermeiden und dir bei Bedarf Hilfe suchen.

 

Hier noch eine Buchempfehlung für dich:

Nur Mut! Das kleine Überlebensbuch – Soforthilfe bei Herzklopfen, Angst, Panik & Co. von Claudia Croos-Müller